Törnbericht Pegasus Sommer 2018, Teil 2: Von Maastricht bis Toul

Törnbericht Motorboot Pegasus Sommer 2018

Teil 2: Von Maastricht bis Toul

von Axel Hansen

Nach zwei Tagen in Maastricht verabschieden wir uns von der freundlichen Schleusenwärterin / Hafenmeisterin im Oude Bassin und genießen noch für einige Kilometer die herrliche Gebäudekulisse der Stadt auf dem Weg zum Canal Albert. An der Grenzschleuse zu Belgien versuche ich mich in meinem besten, aber leider vierzig Jahre eingerosteten, Schul-Französisch. Nach zwei Rückfragen verstehe ich dann auch den Rest hinter „Bonjour“ – wir dürfen sofort einfahren – sogar vor der Berufsschifffahrt. Aha !?

Der Weg nach Lüttich ist, wie erwartet, eher von nüchterner Industrie an beiden Ufern geprägt. Die Stadt erwartet uns bei der Einfahrt von Norden mit einer nicht enden wollenden Festival- Kulisse am Westufer der Maas. Die jungen Rhythmen dringen auch abends gut bis zu unserem zentral gelegenen Hafen durch. In unserer Wahrnehmung kann die Stadt aber atmosphärisch nicht mit den belgischen Städten im Westen (Gent, Brügge) mithalten.

Die nächste Nacht verbringen wir in Huy/ Wanze. Wir erkunden den kleinen charmanten Ort und das Umland mit den Fahrrädern. Fast jeder Ort hat hier seine eigene Zitadelle – die meisten können besichtigt werden. Wirklich sehenswert sind dann aber die Städte Namur und vor allem Dinant, kurz vor der Grenze zu Frankreich.

Dinant ist die Heimatstadt von Herrn Sax – auf den Brücken und an einigen Plätzen schillern Saxophone in allen Farben und Größen. Es gibt sogar ein kleines Museum für Herrn Sax. Und: Je kleiner die Städte, desto verlockender das Angebot an belgischen Trüffeln! Das ist gar nicht gut für den Tiefgang von Pegasus.

Nach nur 5 Tagen in Belgien erreichen wir die französische Grenzstadt Givet. Ute und ich sind uns einig: Wir schauen „da mal rein“. Wenn uns die „Schleuserei“ (ca. 70 bis Toul) zu aufwändig wird, kehren wir um und genießen auf dem Rückweg die südwestlichen Regionen in NL, die wir noch nicht gesehen haben.

Die Schleuse Givet: Das sehr freundliche Personal möchte zur Einreise so ziemlich alles an Bootspapieren sehen, was es gibt. Dafür gibt es dann gegen Gebühr die „VNF“- Plakette, die sichtbar geführt werden muss während des gesamten Aufenthalts in Frankreich.

Auch im Hafen werden wir sehr freundlich begrüßt: Morgen ist Nationalfeiertag und alle Gastlieger sind am späten Vormittag zu einem Sektempfang herzlich eingeladen. Wir schlendern durch den Ort. Man sieht in den Bars: Heute Abend wird gefeiert! Gegen 20 Uhr dann ein adrett uniformierter Musikzug mit flotter Marschmusik auf der Brücke direkt vor dem Hafen Richtung Zentrum. Etwa drei Stunden später dann der etwas ungeordnete Rückzug der sehr gut gelaunten Musiker: Die „gelockerte“ Anzugsordnung und die hörbar freie Interpretation des gespielten Marsches lassen auf den „Spaß“ schließen, die die Musiker in den letzten Stunden hatten. Tosender Beifall aus unserem Hafen und ein kleines Feuerwerk runden den Tag ab. Frankreich heißt uns auf seine Art willkommen.

Der nächste Morgen: Wir brechen lieber etwas zeitiger auf, bis zum nächstmöglichen Hafen sind es einige Schleusen und Kilometer zu fahren. Ähnlich wie auf der letzten Etappe in Belgien: Es wird landschaftlich sehr schön, teilweise bereits recht hügelig und bis auf einen Wanderweg am Ufer begleitet uns oft unberührte Natur.

Die erste Schleuse wird noch mit Personal betrieben. Erfreulicherweise geht es sofort los. Danach erwartet uns ein Tunnel mit Rundbogen. Trotz gelegter Persenning ist nicht viel Platz links und rechts.

Dieser Teil unserer Stecke bis kurz vor Toul ist früher von „Penichettes“, also Kleinlastschiffen befahren worden. Die kleineren Schleusen sind hier nur 38 Meter lang. Berufsschifffahrt haben wir auf dem Kanal keine gesehen. Allerdings gibt es einige Skipper, die sich eine Penichette zurecht gemacht haben und damit in den kleinen Häfen liegen.

Wir kommen unerwartet gut voran: Die funkgesteuerten Schleusen füllen und leeren sich außerordentlich schnell. Es gibt auch keine Wartezeiten. Das einzige Problem, das uns auf dem Kanal allerdings begleiten wird: Obwohl man kaum ein Boot in Fahrt sieht: Die kleinen Häfen sind meist voll mit Booten, deren Crews wohl gerne etwas länger bleiben. So müssen wir am ersten Tag zweimal unseren Zielhafen verschieben und landen letztlich in dem winzigen Ort Laifour.

Die Hafenmeisterin erwartet mich lächelnd und strickend unterm Sonnenschirm. Erst nimmt Sie unsere Baguette- Bestellung für den nächsten Morgen an, dann erklärt Sie den Weg zum Tante-Emma-Laden. Erst danach wird die Liegegebühr bezahlt. Wer erkennt den Unterschied zum Ablauf in unseren Heimathäfen?

Wir lernen eine Crew aus der Schweiz (!) kennen, die ein gerade erworbenes Boot von Holland an die Rhone überführt. Sie arbeiten zusammen in einem Theater. In den nächsten Tagen werden wir uns noch öfter begegnen und zusammen sitzen bei Wein und Gitarrenklang.

Am nächsten Tag fahren wir gemeinsam nach Charleville- Meziere. Gerade noch rechtzeitig kommen wir auf dem riesigen „Place Ducale“ an, ein mit hohen Pavillons und Arkadengängen geschlossenes Areal aus dem 16. Jahrhundert, das stark an die Architektur Paris’ erinnert:

Der Platz ist brechend gefüllt zum Public Viewing. Frankreich ist im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft. Schöner kann es im Stadion auch nicht sein. Wir lassen uns von der Kulisse und der Stimmung mittragen bis zum Schlusspfiff. Les Bleus, les Bleus! Die Stadt feiert seine Helden bis in den frühen Morgen.

Auf unserer Weiterfahrt nach Sedan ist es sehr ruhig um uns herum. La grande Nation hat Kopfschmerzen. Wir besichtigen das Fort. Immer wieder begegnen wir der Geschichte dieser Region, die in letzten 150 Jahren viel Leid ertragen musste.

Der kommende Abschnitt des Kanals ist geprägt von vielen kleinen und trotzdem charakteristischen Orten, die alle auf ihre Art einen liebenswerten, teils auch leicht morbiden Charme ausstrahlen: Mouzon, Stenay, Dun sur Meuse. Überall gibt es etwas zu entdecken. Große Badeseen, nette Cafes und Restaurants, kleine Seitenarme der Maas an den Schleusen.

Obwohl die Trockenheit dieses Sommers für uns den Vorteil hat, das wir fast alle Brücken mit stehender Persenning passieren können, hören wir erste Kommentare von Skippern mit größerem Tiefgang, man habe hier und da Grundberührung. Oha… Nun ja – den Wasserfilter muss ich wegen der starken Verkrautung jeden zweiten Tag leeren, aber noch zeigt das Echolot mindestens 40 cm an.

Verdun, sicher ist diese Stadt mit Ihren Sehenswürdigkeiten der kulturelle Höhepunkt an diesem Kanal. Wir lassen uns entsprechend Zeit. Wieder haben wir Glück: Es findet ein Kulturfestival statt. Musiker und Künstler zeigen einige Tage Ihr Können an verschiedenen Orten in der Stadt. Wir liegen etwas außerhalb des Zentrums – das bedeutet aber auch mehr Nachtruhe.

Auf der Weiterfahrt nach St Mihiel steht an der Schleusenwand eine junge Familie und beobachtet interessiert den Vorgang. Wir kommen ins Gespräch. Kurze Zeit später nehmen wir alle fünf an Bord und fahren gemeinsam die drei Kilometer bis zur nächsten Schleuse. Wir erfahren, dass die schwedischen Eltern Ihren Kindern neben einem schönen Urlaub auch ein Stück Geschichte in Sedan und Verdun zeigen wollen um ihnen den Stellenwert des Friedens in Europa bewusster zu machen.

Von St Mihiel sind es noch etwa 30 km und 10 Schleusen bis wir den Kanal verlassen. Zum ersten Mal müssen wir an einer Schleuse auf das nächste Boot warten, um Wasser zu sparen. An der Schleuse Troussey haben wir dann den höchsten Punkt unserer Reise erreicht. Wir fahren in den Rhein-Marne-Kanal und schleusen ab jetzt zu Tal.58 Schleusen und nur 14 Reisetage liegen seit Givet hinter uns. Am meisten beeindruckt hat uns die fast unberührte Natur und die spürbare Gelassenheit der Menschen in den kleineren Orten. Zeit ist kein Faktor, Zeit hat man.

Nach dem letzten „Souterrain“, dem Tunnel von Foug erreichen wir schließlich Toul. Vom Hafenmeister erfahren wir, dass ab morgen auf dem letzten Abschnitt des Canal de la Meuse der Schleusendienst wegen Wassermangel eingestellt wird. Das. War. Knapp.

Auch in Toul bleiben wir etwas länger – der Charme des Städtchens nimmt uns ein. Ein aufgeschlossener Bürger erzählt uns von der früheren Bedeutung der Stadt, die damals weit größer und bedeutender war als Nancy. Dummerweise habe man sich damals aber mit der Kirche angelegt… Besonders gefallen uns die Kathedrale, die netten Cafés im Zentrum und ein Rundgang an den alten Festungsmauern. Und – ja, zugegeben – das klimatisierte Bistro direkt am Hafen hat bei 39 Grad im Schatten für mich auch seine Reize.

Die Weiterreise führt uns dann morgen dorthin, wo ich von Anfang an so gerne hinwollte: Die Mosel.