Törnbericht Motorboot Pegasus Sommer 2018
Teil 3: Von Toul bis Oldenburg
von Axel Hansen
Toul – so klein wie dieses Städtchen ist, es nimmt uns in seinen Bann. Man kann die frühere Bedeutung der Stadt als Bistum spüren, so überschaubar sei auch scheinen mag. Der „kleine Rivale“ Nancy ist deutlich an Toul vorbei gezogen in den letzten 200 Jahren, war der Kirche und den Mächten gewogener. Wir verabschieden uns von den vielen netten Cafés und dem freundlichen Hafenmeister und fahren durch die letzten zwei Schleusen zur Mosel.
Endlich! Angekommen… mir geht ein wenig das Herz auf. Der Fluss überrascht uns durch seine nicht erwartete Breite, das klare Wasser und die, im Vergleich zur Maas/ Meuse fast unveränderte, Natur links und rechts der Ufer. Wir haben uns entschlossen, auf den Abstecher nach Nancy zu verzichten.
Stattdessen eine kurze Etappe von etwa 17 Kilometer in das Bergdorf Liverdun. Ein naturbelassener Seitenarm, den ich mit Chamäleon – Augen befahre: Eines für die herrlichen Auen am Ufer, das andere für das Lot… Mehr als 20 cm unterm Kiel sind nicht drin. Wir machen als Letzte an einem Steg für maximal drei Boote fest und gehen in den Ort, der an den Berg“gemalt“ ist. Die steilen Straßen bieten eine bezaubernde Abwechslung von Obst- und Weingärten, herrschaftlichen Häusern und farbenfrohen, aber eher morbiden Fassaden. In der Nähe von unserem Liegeplatz wird heute in einem großen Festzelt in der Abendsonne gefeiert, weiße Tischdecken, Musik, großes Buffet. La vie en france.
Wir reisen weiter nach Pont a Mousson. Immer noch ist es erstaunlich ruhig auf dem Wasser. Obwohl wir nun wieder auf einem Fluss mit Berufsschifffahrt reisen, halten uns die Schleusen kaum auf. Die Kammern: In der Regel knapp 180 mal 12 Meter. Meist sind wir allein. Was zu Hause undenkbar erscheint, ist hier wohl Standard: Sportboote werden auch allein geschleust. In diesem Sommer, bei Niedrigwasser manchmal ein seltsames Gefühl, das man allein für Pegasus 11.000 Kubikmeter Wasser mit zu Tal nimmt. Zugegeben, die VNF- Vignette ist nicht günstig, aber gleichberechtigt zu reisen, hat auch seine Reize.
Der Hafen in Pont a Mousson ist ideal, um all die Dinge zu erledigen, die man als Skipper so in regelmäßigen Abständen zu tun hat. Technik, Wäsche, Einkauf… und obendrein noch ein nettes Live- Konzert auf den großen Marktplatz, einladende Altstadt- Kulisse. Dennoch, es zieht uns weiter zu einem der Highlights an der Mosel.
Metz. was für eine Stadt. Bereits zwei Stunden vorher merkt man auf dem Wasser: Es wird lebhafter: Wasser-Ski, Jet-Ski , große Gleiter, wo ist die ruhige Beschaulichkeit der vergangenen Wochen geblieben? Durch einen Seitenarm der Mosel gelangen wir direkt ins Zentrum, zum „Societe des Regates“ – Hafen. Ja, diese Stadt hat in der deutsch-französischen Geschichte eine bewegte Zeit hinter sich. Neben den vielen Palais, Kirchen, Plätzen, der Kathedrale, lasse ich die Stadt auch aus einem anderen Grund auf mich wirken: Mein Vater ist hier zur Schule gegangen – er erklärt mir am Telefon, wo es vom Bahnhof zu seiner Schule ging. Das Gebäude steht leider nicht mehr. Dennoch scheint hier und heute meine Reise in die Vergangenheit zu beginnen. Ich nehme „Verbindung“ auf und frage mich, ob Nationalität in der heutigen Zeit nicht eine viel zu große Rolle spielt…
Nehmen Sie sich Zeit!! Es gibt so viele schöne Ecken in der Stadt – und von diesem Hafen aus können Sie die meisten zu Fuß erreichen. Auch unbedingt (!!) anschauen: Die nächtlichen Wasser- Lichtspiele am Lac des Cygnes, direkt am Hafen. Eine einmalige Melange aus Wasserspiel, Lichtspiel und Kunst – Impressionen.
In den nächsten zwei Tagen reisen wir über Bas- Ham, einem gerade neu entstandenen, hochmodernen Sportboothafen, nach Trier. Die Weinberge nehmen langsam zu, auch die Berufsschifffahrt. Natürlich wird in Schwebsange/ Luxemburg getankt. Drei Länder in einem Tag – für Bootsfahrer schon etwas Besonderes. In Trier – Monaise sind wir in der Clubanlage herzlich willkommen und werden freundlich beraten. Natürlich sitzen wir abends im Grünen beim „Mosulaner“, genießen den lauen Sommerabend mit hervorragender frischer Küche und leckeren heimischen Weinen. Trier mit seinen alten römischen Kulturstätten hier in wenigen Sätzen zu beschreiben wäre ähnlich ungerecht wie bei Metz. Take your time!!
Ab hier wollten wir eigentlich jedem der malerischen Moselorte unsere Aufmerksamkeit widmen, in Ruhe die Städtchen auf uns wirken lassen. Doch es kommt anders: Ein sehr ernster medizinischer Notfall in der Familie bindet uns und unsere Zeit in Koblenz. Wir holen zunächst per Bahn das Auto und nutzen dann bis auf Weiteres das Boot als unser „Hotelzimmer“, um uns – Stück für Stück – an Koblenz heranzuarbeiten. Tagsüber ein paar Kilometer fahren, abends das Auto nachholen, zwei bis drei Tage bleiben…
Die Etappen: Neumagen- Drohn: Als Gäste waren wir den Stammliegern herzlich willkommen und gleich integriert. Unser erster Riesling- Abend mit Weinen aus heimischen Lagen. Traben- Trarbach: Neben den netten Weinlokalen ist der Bahnhof mit dem Pendelzug nach Bullay im Gedächtnis geblieben. Bullay… das erste selbst verdiente Geld – vor etwa 50 Jahren als „Pöks“ fünf Tage im Weinberg. Dafür gab es eine Lohntüte mit unvorstellbaren 55 Mark….
Die Weinberge lassen keinen Zweifel: Der Geist der Zeit geht auch an der Mosel nicht vorbei: Geschätzt liegen 20 Prozent der Anbauflächen brach und verwildern langsam. In den vielen Straußenwirtschaften, die wir besuchen wird klar: Der Nachwuchs hat inzwischen andere Interessen, will sich nicht mehr am Berg „abarbeiten“. Verständlich, vor den Hintergrund der günstigeren, internationalen Konkurrenz. Dennoch sehr schade. Diese Entwicklung konnten natürlich die Römer nicht erahnen, als sie den Weinanbau an die Mosel brachten.
Es geht weiter über Senheim nach Brodenbach. Auf dieser Etappe erleben wir Wassersport der besonderen Art. Direkt nach der Ausfahrt aus der Schleuse: Zwei schwere Gleiter süddeutscher Bauart lassen sofort am Ende des Schleusenkanals ihre Muskeln spielen. Die kräftigen Wellen beim Übergang zur Gleitfahrt drücken zwei Kajakfahrer in Ufernähe in die Steinschüttung. Einer kentert dabei und steigt triefend aus. Scheinbar pflegt man im Rheinland anderen Umgang unter Wassersportlern. Die Kameraden haben, auf Nachfrage in der nächsten Schleuse, nichts mitbekommen.
Die Städtchen Bernkastel- Kues und Cochem besuchen wir auf den Rückfahrten von den Krankenbesuchen mit dem Auto. Während Bernkastel sich seinen alten Weindorf-Charme weitgehend erhalten hat wirkt Cochem schon sehr touristisch auf uns. Die Kulisse vom Wasser aus, mit der Reichsburg, ist dennoch beeindruckend. Das Boot liegt einige Tage in Brodenbach und dann in Winningen. Die wenigen, meist kommunalen, Liegeplätze direkt am Fahrwasser der Mosel können wir wegen des Schwells für keinen der Touristenorte empfehlen: Vor allem die Bergfahrt ist teilweise rücksichtslos unterwegs. Wir haben da so Einiges an Geschimpfe auf Kanal 10 mitbekommen von Sportskipper- Kameraden am Ufer, die ordentlich durchgerüttelt wurden.
Auch Winningen heißt uns mit seinen netten Weinlokalen und Cafés willkommen. Wir bleiben einige Tage, um von dort unseren Notfall in Koblenz zu betreuen. Der Plan, nach Koblenz – Oberwerth zu verlegen scheitert an den Ablagerungen in der Hafeneinfahrt: Obwohl der Rhein trotz Niedrigwasser weiterhin schiffbar ist, sind die meisten Sportboothäfen abgeriegelt mit Wassertiefen von unter 50 Zentimeter in der Einfahrt. Wir verbringen dennoch unsere freien Stunden am deutschen Eck, in der Altstadt und den Rheinauen.
Nach einigen Telefonaten mit diversen Marinas stellt sich heraus, dass der nächste mit unserem Tiefgang erreichbare Sportboothafen Bonn – Mondorf ist.
Die Einfahrt in den Rhein am deutschen Eck ist schon etwas Neues für mich. Es fühlt sich in etwa so an, wie Mofa fahren auf der Autobahn. Das Log macht zwar einen Sprung um bis zu 6 km/h. Trotzdem sind wir etwa 10 km/h langsamer als die Profis. Klar, das kennen wir von Weser und Elbe – aber der Abstand ist schon etwas anders hier. Wir „fliegen“ nach Bonn. Vorbei an Andernach, Neuwied, dem Siebengebirge. Das Grübeln und rechnen mit dem „GlW“, dem „Gleichwertigen Wasserstand“ auf dem Rhein stellt sich in der Praxis als nebensächlich heraus: Egal ob plus oder minus auf den betroffenen Pegel anzurechnen ist: Solange die Berufsschifffahrt unterwegs ist, reicht es für uns allemal!
Aber: Sehr wohl interessant ist es, sauber am Rand des Fahrwassers zu bleiben: Mein Garmin weist die Grenzen genau aus. Tonnen? Meist Fehlanzeige. Kurz außerhalb sind es ganz schnell nur noch 20 cm unterm Kiel. Die Kapitäne der dicken Pötte bewegen sich sehr präzise in dem knapp gewordenen Revier – es ist viel Koordination auf Kanal 10 zu hören. Und gereizte Stimmung. Ich empfinde das Beachten der blauen Tafel als unabdingbares „Muss“, da der Gegenverkehr mit Tafel oft zu wenig Fahrwasser für Sportboote an Steuerbord lässt. Für diesen Streckenabschnitt wünsche ich mir das Halsgelenk einer Eule.
Mir fällt der Spruch aus meinem Rhein- Führer ein: Ein Kapitän auf großer Fahrt fragt einen Rhein-Skipper: Wieso darf ich mit meinem Patent die ganze Welt, aber nicht den Rhein befahren? Die Antwort: Auf der ganzen Welt, das ist die christliche Seefahrt. Auf dem Rhein eben eher die unchristliche…
In Mondorf werden wir mit rheinischer Herzlichkeit begrüßt. Die Situation in Koblenz entschärft sich langsam – trotzdem können wir keine genaue Angabe über unsere Liegenächte machen. Aus dem Hafen heraus lassen sich wunderbare Spaziergänge durch die Wälder an der Siegmündung machen. Am Rheinufer, nördlich des Hafens haben die Bewohner das gewonnene „Neuland“, das ausgetrocknete Flussbett, in Beschlag genommen mit Liegen, Sonnenschirmen, Grillplätzen. Abends wird gechillt, mit Kühlbox, Musik und Picknickkorb. Savoir vivre a la Rheinland!
3 Tage später verlegen wir nach Köln, tauchen für einen Nachmittag und Abend in den Großstadt-Trubel ein. So richtig einschwingen können wir uns nach den vielen kleinen Orten und Städtchen nicht. Die Kulisse von Köln, die an uns vorbeizieht, ist schon sehenswert, aber wir sind noch zu sehr im „slow-go“ der vergangenen Wochen, lassen uns vom Rhein weitertragen. Vorbei an Düsseldorf geht es nach Krefeld, wo Pegasus erst einmal ein paar Tage ohne uns liegen wird.
Für Ute ist dieser Törn hier zu Ende. Die verbleibende Strecke bietet nicht so viel Neues und Sehenswertes. Bereits vorher habe ich die Rückführung mit einem Vereinskameraden koordiniert. Wir erinnern uns an die einleitenden Thekengespräche, Teil 1!?
Somit steht mit Verlassen des Krefelder Hafens wieder das „Strecke machen“ im Vordergrund. Wir fahren bis zu zwölf Stunden am Tag über Rhein, Rhein – Herne – Kanal, DEK, Küstenkanal. Übernachtet wird in Castrop-Rauxel, Altenrheine und Haren. Natürlich gibt es ordentliche „Nachbesprechungen“ nach getaner Arbeit. Produkte aus Flensburg und Brandy unterstützen den Prozess… Am vierten Tag um 17 Uhr öffnet Oldenburg seine Schleuse für uns – wir bringen das Boot nach fast elf Wochen auf dem Wasser, knapp 1900 km und etwa 150 Schleusen, zurück an den Heimat-Steg. Ein kleiner Kratzer am Bug, ein verlorener Fender – Pegasus hat sich sehr wacker geschlagen. Irgendwie ein schönes Gefühl. Irgendwie aber auch schade, dass es vorbei ist…
Was bleibt, ist eine Bereicherung. Nicht nur die Landschaften, Seen, Flüsse und Architektur, die wir sehen durften. Es ist mehr der Lebensstil unserer Nachbarn, der uns beeindruckt und eingenommen hat. Durch das langsame Reisen wirkte dieser intensiver auf uns ein, als z. B. bei einer Reise mit dem Wohnmobil. Sicherlich sind diese positiven Eindrücke auch dem trockenen, warmen Sommer geschuldet. Eigentlich wollten wir dieses Jahr unbedingt in den Osten. Berlin, Müritz.
Nach dem Verfassen des Berichts, der Sichtung all unserer Bilder mit den schönen Erinnerungen, aber auch den bewusst ausgelassenen Orten, gerät dieser Plan gerade kräftig ins Wanken.